Kovács Ede Márton, 25.Okt. 2015
Die Taktik der regierenden Sozialdemokraten ist voll aufgegangen. Auch mit herben Verlusten ist es Michael Häupl, amtierender Bürgermeister von Wien, gelungen sein „G´spür“ für Wien dem Wähler zu verkaufen und dabei gleichzeitig vom immens gewachsenen Schuldenberg abzulenken. Nebenbei hat die SPÖ, dem zum Teil durch die Flüchtlings- und Migrationskrise erstarkten Hauptrivalen auf den Bürgermeistersessel, die FPÖ auf der emotionalen Ebene besiegt.
So groß der Abstand der beiden Parteien in der Gunst der Wähler auch war (immerhin fast 9%), die Meinungsforschungsergebnisse sprachen eine andere Sprache. Bis zuletzt ist ein Kopf an Kopf Rennen prognostiziert worden, die FPÖ redete bereits von einer „Oktober-Revolution“. Doch dem Sprichwort nach finden angesagte Revolutionen meist nicht statt. So war es auch.
SPÖ und ÖVP verlieren massiv, die Grünen nur knapp 1%, die FPÖ legt 5% zu, wobei die SPÖ mit einem Respektsabstand von fast 9% zur FPÖ verteidigen kann.
Das blaue Erdbeben durchzieht Österreich aber trotz allem. Burgenland, Oberösterreich und zuletzt Wien sind die Bundesländer, in denen die Freiheitlichen unter Heinz Christian Strache gegenüber der seit 1945 regierenden Großparteien (SPÖ, ÖVP) Boden gut macht. Das sogenannte Proportionalsystem, das den Grundstein der Macht der beiden Großparteien bildet, wurde nach dem zweiten Weltkrieg eingeführt und sorgte lange Zeit für politische und wirtschaftliche Stabilität in der zweiten Republik. Im 21. Jahrhundert verliert es aber zusehends an Bedeutung. Die Chance, die alten Strukturen aufzubrechen ist das Ziel der FPÖ, die als extremer Gegenpol aus diesem System ausgeschlossen war und ist. Zu sehen ist das heute an der ablehnenden Haltung seitens vor allem der SPÖ, die auch mit zum Erstarken der Freiheitlichen geführt hat.
Gründe für die Ablehnung gibt es viele. Zum einen, die unterschiedlichen Weltanschauungen, die traditionell seit der französischen Revolution als links der Mitte und rechts der Mitte bezeichnet werden. Zum anderen in der Geschichte Österreichs und ihrer Beziehung zum Nationalsozialismus, wobei die FPÖ, auch wenn dies geleugnet wird, diese Reflexe von damals noch immer nicht abgelegt zu haben scheint. Bestes Beispiel dafür ist der Facebook Eintrag einer Parteifunktionärin Susanne Winter, in der sie offen antisemitische Äußerungen gutheißt. Sie wird deswegen nicht nur seitens ihrer Partei aufgefordert zurückzutreten.
Das Ausschließen der FPÖ aus der politisch korrekten Elite entpuppte sich als Rückkopplung und ging nach hinten los. Die Märtyrerpartei, die sich auch unter dem verstorbenen ehemaligen Parteichef Jörg Haider als solche empfand, war geboren. Die Ablehnung bzw. die Befürwortung der FPÖ soll Wähler ansprechen und tut das auch. Der Wiener Wahlkampf handelte aus diesem Grund eher weniger von Inhalten als von emotionalen Bindungen für oder gegen die FPÖ.
Da die Flüchtlingsproblematik und das Thema Asyl das Steckenpferd der Freiheitlichen war und ist galt es links der Mitte zu beweisen, wie Menschlichkeit die Welt verändert, und rechts der Mitte abwehrend darauf zu bestehen die Interessen der eigenen Bevölkerung in dieser folgenschweren Situation zu wahren. Beides hat seine Berechtigung. Die Register, die gezogen werden, lassen allerdings in beiden Fällen zu wünschen übrig.
Dass die FPÖ als populistisch und hetzerisch gebrandmarkt wird hält dabei durchaus einer näheren Betrachtung stand. Betreffend der Nutzung von Angst gegen das Fremde in der FPÖ sagt der pensionierte Journalist und Chronist der zweiten Republik Hugo Portisch in einem Interview mit „Die Presse“ folgendes: „Das ist leider wahr und liegt auch am Populismus, mit dem die FPÖ für sich Stimmen fängt. Auch sie nützt die Abneigung gegen Flüchtlinge, aber es ist keine echte Feindlichkeit da, finde ich – im Unterschied zu Deutschland. […] Ich halte die FPÖ für einen Bremser, weil sie sich von Marine Le Pen in Frankreich und völlig von der NPD in Deutschland unterscheidet. Heinz-Christian Strache sagt nicht, dass er aus der EU austreten will, dass die EU verdammenswert ist. Er nützt alles, was populistisch ist, für sich aus, aber er geht nicht ins Extrem. So eine Partei fängt unter Umständen den Extremismus ein bisschen auf.“ Aber reicht das, um eine Partei auf lange Sicht vom Regierungsruder fernzuhalten bzw. rechtfertigt es die ablehnende Haltung der Regierenden Eliten? Meiner Ansicht nach verstärkt es die latente Trotzreaktion der FPÖ und ihrer Wähler, die sich demokratisch legitimiert fühlen die Zukunft des Landes mitgestalten zu können. Nebenbei sei bemerkt, dass die Wählerinnen und Wähler der FPÖ wohl nicht so bald in diesen Genuss kommen werden, und zwar deshalb, weil ihre Basis viel kleiner ist, als sie scheint. Frustrierte Bürger und das derzeit aktuelle Flüchtlingsgeschehen bescheren der FPÖ einen Boom. Die Frage ist, ob die Partei diesen Wählerstamm nachhaltig wird mobilisieren können.
Allerdings ist diese politische Gruppierung aufgrund ihrer Abseitsstellung und oppositioneller Position in der Lage reale Fragen und Probleme aufzuwerfen, die sich keine Regierungspartei traut. Um nur ein Beispiel zu nennen, wäre die Schuldenpolitik der letzten Jahre zu erwähnen, die nicht nur die Republik, sondern auch die Länder massiv trifft. Natürlich sind die FPÖ und deren Umfeld teilweise mitverantwortlich, wie der Hyposkandal in Kärnten gezeigt hat. Allerdings ist das eines der wichtigsten Themen der letzten Jahre, das alle betrifft und wovon niemand, außer HC Strache reden will.
Fakt ist, dass die Haltung der Grünen und der SPÖ mit dazu beigetragen haben, dass die FPÖ ohne nachhaltige Lösungsansätze zu einer starken Partei erwachsen ist. Deshalb sollten sich die Herrschaften gut überlegen, ob das ihre Absicht ist.
In Relation zur Argumentation der Sozialdemokraten ist die der FPÖ näher zum Empfinden der Wähler und bestätigt damit die europäische Tendenz, in der Parteien des linken Spektrums, aufgrund ihrer Orientierungslosigkeit gegenüber der Flüchtlingsthematik, aber auch gegenüber der Nachwehen der Wirtschaftskrise zusehends an Einfluss verlieren. Die liberalen und linksgerichteten europäischen Kräfte versuchen mit ihrer Rhetorik die Wähler zu belehren, wie man als Europäer zu denken und zu handeln hat. In dieselbe Falle ist auch die SPÖ getappt und ist in Wien mit einem blauen Auge davon gekommen. Nicht nur betreffend der Flüchtlinge, die nicht aus ihrem Verdienst, sondern aus dem Verdienst der Zivilbevölkerung in Wien mehr als gut aufgehoben sind, sondern auch betreffend ihrer sonstigen Leistung als Stadtregent.
Ein kurzer Überblick dessen: Bürgermeister Häupl hatte in dem Wissen, dass Bürger mit Migrationshintergrund eher links wählen würden beklagt, dass bis zu einem Viertel der Wiener Bevölkerung kein Wahlrecht besitzt. Die Idee hatte die SPÖ aber erst, als die Umfrageergebnisse in Richtung Stagnation zeigten. Folglich ging es dem Bürgermeister wohl eher weniger um die demokratischen Herausforderungen der Stadt Wien, als um Machterhalt. Weiters soll mit dem sogenannten „G´spür“ für Wien gezeigt werden, dass der Lebensstandard und der Lebensstil der Wiener der Stadtregierung am Herzen liegt. Gekonnt verschwiegen wurden allerdings die hohen Schulden der Stadt, die durch die Entkopplung des Euro vom Schweizer Franken noch im Jahr 2015 weiter in die Höhe schnellten. Einige Jahre zuvor stand der Verkauf der Wiener Straßenbahnen, sowie der Kanalisation an ein Konsortium in den USA auf dem Programm. Natürlich alles im Sinne der Stadtentwicklung und des Wiener Lebensstandards, mittels der Gelder aus den Verkäufen, ebendieser durch Kredite finanziert wurde.
Unterdessen rühmen sich die Grünen mit ihrer Verkehrspolitik: Autos raus, Fahrräder und Fußgänger herein. Klingt nachhaltig, klingt ebenso sauber, demokratisch und zukunftsträchtig, lässt aber einen sauren Nachgeschmack zurück, da Alternativen für den motorisierten Verkehr nicht geboten werden. Es wird ideologisch und nicht pragmatisch gehandelt. Die „Verkehrsberuhigung Mariahilferstraße“ ist nach eben diesen Prämissen vollzogen worden, nämlich ohne die betroffenen geschäftstreibenden Bürger oder möglicherweise die gesamte Stadtbevölkerung vorher gefragt zu haben. Die Stadtregierung ist davon ausgegangen, dass der Vorstoß mit offenen Armen empfangen wird. Dem war nicht ganz so.
Weiters ist die Kommunikation über die Preisanpassung der Wiener Linien ebenso ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wird gepriesen, wie billig sie geworden ist und dass sie sich aufgrund der gestiegenen Zahl der Jahreskartenbesitzer selbst finanziert. Verschwiegen wird aber, dass die Teuerung der Wochen-, Tages- und Einzelfahrscheine bzw. zusätzliche Kredite, um den Einnahmenrückgang zu decken, genau diese billige Jahreskarte finanzieren soll. Dass nicht jeder Wiener eine Jahreskarte hat, wird vermutlich jedem einleuchten.
Es kommt klar zum Vorschein, dass man in Wien nicht gern über Geld spricht. Das „G´spür“ beinhaltet eben dieses: Brot und Spiele, den Wiener Charme, gewürzt mit einem Hauch postimperialen Flair. Solange es der Bevölkerung gut geht und sie gemeinsam mit den Touristen mit Festen auf dem Rathausplatz, internationalen Veranstaltungen und grün gestrichenen Radwegen „verwöhnt“ werden, wird es nicht nach den Finanzen fragen. Meiner Ansicht nach, ist dieser Zeitpunkt aber nicht mehr so weit weg.
Die ÖVP sei in diesem Wahlkampf nur am Rande zu erwähnen, da sie trotz brauchbaren Inhalten, die Änderungen herbeiführen könnten, keine charismatischen Führungspersönlichkeiten zu bieten hat, die diese Inhalte verkaufen könnten. Die ÖVP könnte ein Zünglein an der Waage der beiden Extreme sein und das Gleichgewicht der Kräfte herbeiführen, dazu müsste sie sich allerdings neu erfinden und in diese Position hineinwachsen. Diese Tendenz ist derzeit, trotz dringendem Bedarf noch nicht zu sehen. Ähnliches gilt für die NEOS, die nach einigen Jahren in der Politik noch immer vergebens nach einer Linie suchen, die sie von den anderen Parteien absetzt.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die folgende Legislaturperiode wohl keine großen Änderungen bringen wird. Es wird „weitergewurschtelt“, wie ÖVP Chef Mitterlehner schon vor einiger Zeit gesagt hat. Die Schulden werden steigen, die Lebensqualität parallel dazu ebenso. Die Frage ist nur, wie lange noch? Die Einnahmen decken die Ausgaben schon lange nicht mehr.