Mag. Ede Márton Kovács, 06.02.2016
Normen und Werte sind der Kompass des Zusammenlebens in einer Gemeinschaft von Menschen. Diese sind äußerst vielfältig in ihrer Ausprägung, ihrer Geschichte, ihrer Wichtigkeit bzw. ihrer Interpretation innerhalb dieser Gemeinschaft. Den Medien kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu. Im Laufe des 20. Jahrhunderts, vor allem in totalitär regierten Regionen Europas waren sie vielerorts das Propagandamittel der Herrschenden. Nach dem Jahr 1990, wie es scheint, hat sich dies zu einem Besseren gewendet. Der eiserne Vorhang ist gefallen, die Diktaturen nach dem Vorbild des Sowjetkommunismus wurden gestürzt und damit die freie Meinungsäußerung sichergestellt.
Dieser Ausgangspunkt zeigt deutlich, dass freie Medien im Jahre 2016, also 26 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nahezu eine Selbstverständlichkeit geworden ist.
Dass in diesen Ausführungen trotz allem nur die halbe Wahrheit steckt, zeigt das diplomatische Verhältnis zwischen Ost- und Westeuropa, das sich in den Medien niederschlägt. Es geht, wie schon beschrieben um die Interpretation von Normen und Werten in diesem Zusammenhang.
Ostmitteleuropa ist erst seit einem Jahrzehnt in die Europäische Union integriert worden. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks mussten viele Reformen und sogenannte „Transformationsprozesse“ durchlaufen, bis sie zu einer Aufnahme gelangen konnten. Es entstand eine System des Gebens und Nehmens. Westeuropäische Unternehmen und Institutionen transferierten Infrastruktur und Know-How in die neuen Mitgliedsstaaten und halfen bei der Modernisierung ihrer maroden wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur und haben als Gegenleistung neue Absatzmärkte zu steuerbegünstigen Konditionen erhalten, die sie dringend benötigten. Ostmitteleuropäische Staaten wurden in allen Belangen umgekrempelt, um den Erfordernissen und Spielregeln der inzwischen entwickelten und globalisierten, neo-liberalen Weltordnung zu entsprechen. Um diesem System so schnell als möglich gerecht zu werden, also die Strukturschwächen und die sogenannten Disparitäten auszuhebeln hat die Europäische Union einen Fonds eingerichtet, der anhand projektbezogener Anträge, Geldmittel ausschüttet und so einen Finanzierungsschub leistet, um diesen Transformationsprozess zu beschleunigen.
Dies ging ein gutes Jahrzehnt gut, und zwar bis zu einem Zeitpunkt, bis die neuen Mitgliedsstaaten erkannten, dass sie in dieser Konstellation ihre erst kürzlich zurückgewonnene wirtschaftliche Souveränität wieder verloren haben. Nämlich in einem Prozess der Integration von außen, anstatt von innen. Es wurden wirtschaftliche Bedürfnisse Westeuropas befriedigt, auf Kosten der Bedürfnisse der Regionen Ostmitteleuropas. Die sogenannten Ausgleichsgelder wurden und werden auch heute noch als Almosen kommuniziert, die die Empfängerstaaten als Belohnung für die Öffnung ihrer Märkte erhalten. Wenn aber die Empfängerstaaten sich gegen diesen Prozess wehren, bekommen sie sehr schnell das zweierlei Maß zu spüren.
An diesem Punkt kommen die Medien ins Spiel. Sie sind das Sprachrohr, nicht nur der Befindlichkeiten der Gesellschaft, sondern auch der des Marktes. Am Markt bestimmt nicht der Produktionswert den Wert eines Gutes, sondern der höchstmögliche Verkaufswert. Auch Medienhäuser müssen um die Gunst des Verkaufswertes ihrer Produkte buhlen. Wenn sie Texte verfassen, die nicht die Stimmungslage des Marktes treffen, werden ihre Absatzwerte sinken.
Dieser Zusammenhang soll darstellen, dass Medien nicht frei im eigentlichen Sinne sind, sondern, dass sie an einen Markt gebunden sind, der nicht die Freiheit aller im Visier hat, sondern die Freiheit derer, die am diesem Markt teilhaben können. Somit bestimmt derjenige der zahlt, was geschrieben wird.An dieser Stelle ist es wohl selbsterklärend, dass die Staaten Ostmitteleuropas nicht in der Lage sind, sich finanziell derart zu stützen, dass sie am Markt als bestimmender Faktor agieren können.
Der Markt ist seit der Globalisierung des Handels der Politik über den Kopf gewachsen. In einer solchen Situation ist es also fast unmöglich sich dagegen ohne größere finanzielle Verluste zu wehren. Tut man es doch läuft man Gefahr von Investoren gemieden und in eine Abseitsstellung zu geraten.
Genau das passiert gerade mit Ungarn. Die österreichischen Leitmedien stehen auf der europäischen, politisch korrekten Seite, die als Nutznießer dieses Unterfangens auf dem längeren Hebel sitzt. Ungarn ist in der Situation des wirtschaftlich Ausgelieferten. Kürzt es die Rechte von österreichischen Wirtschaftssubjekten im eigenen Land, um den eigenen Handlungsspielraum zu erhöhen, wird es seitens Österreich und der EU zur Rechenschaft gezogen. Das erste Mittel dazu sind die Medien. Sie verbreiten falsch interpretierte Tatsachen unter dem Deckmantel der „Europäischen Werte“ und der Demokratie, die einem westeuropäischen Medienkonsumenten suggerieren soll, dass in diesem betreffenden Land etwas nicht stimmt.Über ein „unartiges“ Land, dessen Eliten auf den Füßen von westeuropäischen multinationalen Unternehmen herumtrampeln und damit ihre Interessen „verletzen“ ist es opportun zu schreiben, dass die demokratischen Grundrechte verletzt würden, auch wenn dies nicht den Tatsachen entspricht.
Zu entdecken sind diese tektonischen Brüche zum Beispiel in Reportagen des ORF. Bekannte Persönlichkeiten, wie dem Historiker und Schriftsteller György Dalos, dessen private Meinung in einem sehr gut aufbereiteten Interview (http://oe1.orf.at/programm/421248) im öffentlich rechtlichen Radioprogramm von Ö1 als allgemeingültige Tatsache behandelt wird und somit ein Pauschalurteil über ein Land abgibt, dessen Bevölkerung sich zu einem beträchtlichen Teil nicht damit identifiziert. Ein Beispiel, herausgegriffen aus dem Interview ist die Ansicht, wonach ungarisch stämmige jüdische Intellektuelle auf gepackten Koffern sitzend auf einen geeigneten Zeitpunkt warten würden, um das Land aus Angst vor antisemitischen Übergriffen zu verlassen. Diese Ansicht wurde von vielen ebensolchen Intellektuellen, wie zum Beispiel Imre Kertész bestritten, die diesbezüglich abwinkten und Ansichten wie diese als Stimmungsmache abtaten. Die Liste ähnlicher Aussagen ist sehr lang.
Hinter den Kulissen lässt sich anhand dieser Beispiele der alte Kampf der Weltanschauungen erahnen. Der Kampf des Liberalismus gegen das völkische Denken, der Kampf des Individuums gegen das Traditionelle. Dieser ist im Westen schon lange zugunsten des Individuums geschlagen. Im Osten dagegen sind die Spuren dieses geistigen Kampfes noch nicht verwischt.